Das Eisenbahnprojekt Berleburg-Gleidorf

Das Eisenbahnprojekt

Raumland-Berleburg-Girkhausen-Rothaarkamm-Gleidorf

 

Jürgen Weiß

 

Nachdem im Jahre 1861 die Eisenbahnlinie Hagen-Siegen als Teil einer so genannten „Nord-Süd-Verbindung“ eröffnet worden war, zog das natürlich auch in verschiedenen ländlichen Gegenden Wünsche, Überlegungen oder schon gewisse Planvorstellungen nach sich, um diese durch den Bau einer Nebenbahnlinie zu erschließen. Es hatte sich auch in unserer Heimat herumgesprochen, dass durch den Bau von Eisenbahnlinien für die Menschen eine Verbesserung ihrer oftmals kargen Lebensqualität zu erreichen wäre.

Dies führte unter anderem dazu, das bereits im Jahre 1883 die Nebenbahnlinie Laasphe – Marburg fertiggestellt worden war und Erndtebrück am 1. 10. 1888 über die Schiene mit Hilchenbach und am 20. 12. 1888 mit Laasphe verbunden war.

Nachdem dann auch noch Erndtebrück und Raumland ab 30. Juni 1890 „ihre“ Gleisverbindung erhielten, mag es nicht verwundert haben, dass in den Köpfen Wittgensteiner- und Sauerländer Kreis- und Landtagsabgeordneter Überlegungen bestanden, den nördlichen Teil Wittgensteins durch eine Bahnlinie mit dem Kreis Meschede zu verbinden; gemeint war hier Raumland-Berleburg-Girkhausen-Gleidorf. Die Unterquerung des Rothaargebirges sollte durch einen längeren Tunnel erfolgen.

Diesen Überlegungen lag unter anderem der Gedanke zugrunde, man bekäme eine durchgehende Bahnverbindung Lippstadt–Warstein–Wennemen–Fredeburg-Frankenberg bis hin nach Marburg. In etwa parallel zu den vorgenannten Planungen gab es ebensolche in den Köpfen einiger Politiker dahingehend, eine Bahnverbindung von Altenhundem aus durch Wittgenstein ebenfalls in Richtung Marburg zu schaffen. Diese Bahnlinie erfuhr als sogenannte „Rüsper Bahn“ ihre Verwirklichung am 30. Juni 1914, wobei das Rothaargebirge durch den 1300 Meter langen Heinsberger Tunnel durchstoßen worden war.[1]

 

In Berleburg hatte sich bereits in den 1890er Jahren ein „Komitee für ein Bahnprojekt Raumland-Gleidorf“ gebildet, welches über die Intervention des damaligen Wittgensteiner Landtagsabgeordneten Heinrich Macco (1843–1920) Hoffnungen hegte, die Planungen an den maßgeblichen Stellen forcieren zu können.

Am 14 Februar 1899 schrieb Macco an das „Eisenbahnkommitee zu Berleburg“ über das Bahnprojekt Raumland-Gleidorf:

„Ihre Zuschrift vom 2. des Monats kam in meinen Besitz und werde ich selbstverständlich auch ohne die Erinnerung an frühere Versprechungen alles tun, was die Interessen meines Wahlkreises fördern kann.

Über das Bahnprojekt Raumland-Gleidorf habe ich heute gemeinschaftlich mit Herrn von Detten und dem Dezernenten im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten eingehend verhandelt. Das Resultat dieser Verhandlungen finden sie in der Anlage. Zu meinem Bedauern sind die Aussichten für dieses Projekt noch sehr gering. Es dürfte sich empfehlen, möglichst bald eine Eingabe an das Abgeordnetenhaus zu machen, damit das Projekt auf der Tagesordnung bleibt. Ich werde dasselbe alsdann nach Kräften vertreten.

Hochachtungsvoll Heinrich Macco.“[2]

 

„Anlage zum Bahnprojekt Raumland-Gleidorf

Die Ausführung dieser Linie scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten scheint nach den mir gegebenen Nachrichten vorläufig noch gar keine Neigung vorzuliegen, auch nur die generellen Vorarbeiten anzuordnen. Im Allgemeinen wurde darauf hingewiesen, daß die Provinz Westfalen schon in dem letztjährigen Gesetzentwurf bevorzugt sei, so dass die Aufnahme neuer Linien zunächst nicht in Aussicht genommen werden könne.

Meine dringende Befürwortung, wenigstens die Linie Raumland-Berleburg baldigst auszubauen, fand zunächst keine Aufnahme, welche eine Befürwortung erwarten läßt. Es dürfte zweckmäßig sein, in dieser Frage baldigst eine Eingabe an das Abgeordnetenhaus zu richten, damit dieselbe dort zur Sprache gebracht wird.“

Das Wittgensteiner Kreisblatt berichtet am 17. Februar 1899, dass die Bildung eines neuen Eisenbahnkomitees in Gemeinschaft mit Oberkirchen und Fredeburg in Aussicht gestellt sei.

Dieses gemeinsame Eisenbahnkomitee wurde aber erst viel später, am 28. Juli 1907 auf der Hoheleye von insgesamt 51 Herren aus den Kreisen Meschede und Wittgenstein gebildet.

 

Konkrete Vorplanungen zum Streckenverlauf

 

In Zusammenarbeit des Berleburger Eisenbahnkomitees mit den zuständigen Eisenbahndirektionen Elberfeld und Cassel wurde ein Plan über den gesamten Verlauf der Bahnlinie unter Berücksichtigung der vorherrschenden Topographie erstellt. Dieser Plan, dargestellt in drei Teilen und farblich untermalt, wurde in den Jahren 1900 und 1901 von einem Siegener Bergingenieur und Landmesser namens C. Schreiber erarbeitet. Weitere, etwas veränderte Pläne folgten einige Zeit später.

Die Strecke sollte generell nicht mehr Steigung als 1:50 – das entspricht 50 Höhenmeter auf 1 km Streckenlänge – aufweisen; der noch befahrbare Gleisradius durfte 300 Meter nicht unterschreiten. Der damals geplante Kopfbahnhof Berleburg – Eröffnung der Streckenverlängerung von Raumland nach Berleburg am 1. Oktober 1910 – würde ein Durchgangsbahnhof werden.[3] Die Bahnstrecke durchs Odeborntal sollte mit 1:70 bzw. 1:90 in Richtung Girkhausen geführt werden; für Schüllar-Wemlighausen war am Stein ein gemeinsamer Bahnhof geplant und Girkhausen sollte sein Stationsgebäude am Ortseingang links der Odeborn erhalten. Die spätere Planung von 1907 sah dann diesen Bahnhof am oberen Dorfende vor. Weiter sollte es mit einer Steigung von 1:50 durch das obere Odeborntal in Richtung Schmelzhütte und unterhalb der Wasserscheide – ziemlich genau unter Hoheleye – durch einen 820 Meter langen geraden Tunnel gehen, wo man dann oberhalb von Westfeld das Lennetal erreicht hätte. Den Bahnhof Langewiese betreffend war es früher beim Bahnbau schon mal üblich, dass aufgrund der topografischen Lage der Bahnhof oder Haltepunkt ein Stück Weges vom Ort entfernt war, aber mit dessen Ortsnamen errichtet wurde. So war es auch mit der Bezeichnug „Bahnhof Langewiese“ gemeint.[4] Die Reisenden von oder zu diesem Bahnhof mussten zu Fuß gehen oder mit Kutschen transportiert werden. Die weitere Streckenführung plante man über Oberkirchen und Winkhausen nach Gleidorf bzw. Schmallenberg, wo sie dann auf die Nebenbahnlinie Altenhundem–Fredeburg getroffen wäre.[5]

 

Im März 1901 wurde von der Fürstlichen Rentkammer Berleburg eine so genannte Denkschrift verfasst, in der sehr umfangreiche Begründungen für das Bahnprojekt Raumland-Gleidorf aufgeführt wurden. So sind aus dieser Denkschrift unter anderem folgende Vorteile aufgeführt: „[…] das von allem Verkehr abgeschlossenste Gebiet der Provinz Westfalen ist wohl der nördliche Theil des Kreises Wittgenstein mit der Kreisstadt Berleburg und der Bezirk von Oberkirchen im Osten des Kreises Meschede. Schon lange strebt dieses Gebiet eine Erschließung durch eine Eisenbahn an, bis jetzt aber vergebens.

Das fragliche Gebiet enthält als Naturprodukte Schiefer und Holz, auch zeigen sich Anfänge einer hierauf basierenden Industrie, die aber infolge der fehlenden Bahnverbindungen nicht nach Gebühr zur Entwicklung kommen kann, und die Arbeitskräfte, welche in bekannt großem und gutem Material im Lande sind, müssen zu nicht geringem Nachteil der Gesamtbevölkerung nach auswärts gehen bzw. auswandern, um Arbeit zu finden, […] die Entfernungen bis zu den Hauptverbrauchsorten sind zu groß, dabei sind die Verkehrslinien in ihrer Lage so unvorteilhaft, daß die Transportkosten eine Höhe einnehmen, die für die Dauer nicht zu ertragen ist. Man ist häufig vor die Frage gestellt, soll man, wiewohl die Aberntung des Holzes geboten erscheint, das Holz „nicht weiter wachsen zu lassen“, weil z. Zt. die Verfrachtungskosten all` zu hoch sind, […] es darf auch angenommen werden, daß diese Strecke neben dem großen Vorteil in der Erschließung unseres Gebietes, im Ganzen als rentabel sich erweisen wird, den direkten und unvergleichlich kürzeren, damit billigeren Weg über Berleburg-Gleidorf nach dem Verbrauchsgebiet an der Ruhr zu nehmen, […] auch soll hier nicht unerwähnt gelassen werden, daß es nur die Linie über Fredeburg sein kann, welche diesen beachtenswerten Vorteil bietet, indem Fredeburg der tiefste Punkt des ganzen Gebirges ist, der auch auf der Strecke nach Berleburg im Tunnel bei der Hoheleye nicht wesentlich gehoben wird, ein Vorteil der auf keinen anderen Übergangspunkt auch nur annähernd erzielt wird, namentlich bei Winterberg.“[6]

In einer erneuten Denkschrift des gemeinsamen Komitees wurden weitere wichtige Gründe für den Bau dieser Bahnlinie aufgeführt, die in einem bereits 1904 erarbeiteten „Verzeichnis über jetzt bewegte Güter nach dem Ruhrgebiet und künftig nach Ausführung des Bahnprojektes zu bewegenden Güter“ aufgeführt worden waren. So sollten die Tonnagen von Holz, Schiefer, Steinen, Erzen, Holzkohlen, Papierwaren und sonstigen Gütern um ein teilweise Mehrfaches gesteigert werden. Auch die strategische Bedeutung dieser Bahnlinie sollte, so wurde aufgeführt, nicht unterschätzt werden, denn nachdem in dieser Hinsicht bereits diesbezügliche Vorkehrungen bei dem Bahnbau Berleburg–Allendorf getroffen worden seien, wären diese völlig zwecklos, wenn nicht das noch fehlende Bindeglied zwischen zu der Bahn Altenhundem–Fredeburg geschaffen würde: „[...] mit dieser Bahn wäre die schon seit etwa 100 Jahren angestrebte Verbindung mit Westfalen erreicht. Sie wäre der Schlußstein aller diese Gegend berührende Bahnen. Möge sich das hohe Ministerium durch diesen Schlußstein ein unvergängliches Denkmal seiner hohen Einsicht in die Beurteilung der Verhältnisse dieses Landesteiles sowie der Dankbarkeit seiner ganzen Bevölkerung errichten.“

In einer Sitzung des Eisenbahnkommitees am 26. Oktober 1908 im Gasthof Schütte in Oberkirchen berichtete der Vorsitzende, Herr Bürgermeister Wilhelm Paul Hornung[7] aus Berleburg, dass sowohl Regierung als auch die Eisenbahndirektionen Elberfeld und Kassel dem Projekt sympathisch gegenüberstünden und dass die Strecke in letzter Zeit zur Besichtigung verschiedene Male von amtlicher Seite bereist worden seien.

Anlässlich einer weiteren, späteren Zusammenkunft des Eisenbahnkomitees teilt der Vorsitzende mit: „[…] Trotz Anführung von Tatsachen, die den Bahnbau für die Gegend so notwendig und vorteilhaft erscheinen lassen, dass kein Fortschritt bei den maßgeblichen Stellen zu verzeichnen sei.“

Ein letzter Versuch, mit einer Petition zum Bahnbau im August 1913 „an das hohe Haus der Abgeordneten“, die dieses an die Königliche Staatsregierung weiterleitete, brachte auch keinen Erfolg.

Der Beginn des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 setzte schließlich den vorgenannten Eisenbahnwünschen ein Ende.

 

Neue Bemühungen um Genehmigung und Bau der angestrebten Nebenbahnlinie

Nachdem in den 1930er Jahren infolge der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland so genannte Arbeitsbeschaffungsprogramme zur Ankurbelung der Wirtschaft geschaffen worden waren, erinnerte man sich auch an maßgeblichen Stellen der Kreise Brilon, Meschede und Wittgenstein daran, dass es einmal ein Projekt zum Bau einer Nebenbahnlinie von Raumland nach Gleidorf gegeben hatte, welches schon recht weit gediehen war.

Am 14. Februar 1933 fand in Winterberg eine Besprechung der Herren Amtsbürgermeister von Berleburg und Schmallenberg sowie des Magistrats der Stadt Berleburg statt. Man kam überein, das Bahnprojekt zu fördern.

Hierzu teilte der Berleburger Magistrat Herr Dr. Theodor Günther[8] mit: „Die Industrie- und Handelskammer Arnsberg ist bereit, sich für den Bau der Bahnlinie einzusetzen.“ Weiter schreibt er: „Wir haben am 23. März 1933 ausführliche Eingaben an die Reichsbahndirektionen Kassel und Wuppertal gemacht, um vorsorglicher Weise zu verhindern, daß mit Rücksicht auf die fortgesetzte Inanspruchnahme der, der Deutschen Reichsbahngesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm für alle möglichen anderen Bauvorhaben das Projekt Berleburg-Gleidorf verfällt. Da Eile geboten ist, haben wir Abschriften dieser Eingaben mit kurzem Begleitschreiben an

das Reichsverkehrsministerium,

den Herrn Generaldirektor der Deutschen Reichsbahngesellschaft,

das Reichswirtschaftsministerium sowie

den Herrn Reichskommissar für Arbeitsbeschaffungsprogramm

gerichtet. Antwortbescheide stehen noch aus.“[9]

 

Nachdem auch seitens des Amtsbürgermeisters von Schmallenberg weitere Eingaben an die Reichsbahndirektionen gemacht worden waren, wurden diese aber abgelehnt, da bei der allgemeinen ungünstigen Wirtschaftslage die Aufbringung der finanziellen Mittel nicht möglich sei.

Neben den behördlichen Bemühungen gab es auch solche von nationalsozialistischen Parteimitgliedern verschiedenster Rangordnung in Wittgenstein. Sie befürworteten ebenso das Bahnprojekt Berleburg-Gleidorf zur „Ankurbelung der Wirtschaft im oberen Kreis Wittgenstein und zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit und Armut der Bevölkerung“.

In einem umfangreichen Bericht zeigen sie die damalige Situation auf und begründen sehr ausführlich die Rentabilität dieses Bahnbauprojektes.

Der Verfasser ist der Meinung, dass auch diese Ausführungen ein Teil des damaligen Projektes „Bahnbau Raumland-Gleidorf“ gewesen sind und darum wiedergegeben werden müssen. Es heißt dort:

„Der obere Kreis Wittgenstein umfaßt die Ortschaften Girkhausen, Langewiese, Neuastenberg, Mollseifen, Wunderthausen und Diedenshausen. Es sind dies Gebirgsdörfer in ca. 500-750m ü. M. Die Bewohner sind als Bauhandwerker, Waldarbeiter, Holzdrechsler und Kleinbauern beschäftigt. Die Bauhandwerker sind fast nur in der Fremde tätig. Im Winter beschäftigen sich die Leute mit Holzdreherei und Löffelmachen (Handarbeiter). Das Bauhandwerk ruht völlig, ebenfalls ist die Beschäftigung der Bewohner mit Anfertigung von Holznäpfen und Löffeln auf ein Minimum zurückgegangen, sodaß auch im Winter die fast gesamte Einwohnerschaft obiger Ortschaften der Fürsorge zur Last liegt. Die Bauhandwerker suchten in den industriereicheren Kreisen Meschede, Olpe, Altena und Hagen ihr Brot. Durch die Lahmlegung der Kleineisenindustrie des Lennetales, welche hauptsächlich Rüstungszwecken diente, liegt nun auch das Bauhandwerk am Boden, da man durch die Arbeitslosigkeit in der Lenneindustrie vielfach zum Bauhandwerk übergegangen ist, ist für die hiesigen Handwerker vorerst die Möglichkeit genommen, dort weiter beschäftigt zu werden. Die Leute sind daher gezwungen, im Heimatkreise Beschäftigung zu suchen.

Wir schlagen daher zur Arbeitsbeschaffung und Belebung der Wirtschaft (Holzwarenindustrie, Land- und Forstwirtschaft sowie Belebung des Fremdenverkehrs) folgenden, bereits vor dem Kriege beschlossenen Plan des Bahnbaus Berleburg–Girkhausen–Fredeburg (Sauerland) vor.[10] Dieser Bahnbau würde die Arbeitslosigkeit beheben und durch Belebung der Gesamtwirtschaft ganz ausschalten.“

 

Die Rentabilität dieses Projektes ist wie folgt begründet:

1.       Die reichen Waldbestände der Fürstlich Wittgenstein Berleburger Besitzung bringen es mit sich, daß viel Holz hier verladen wird und zum Versand gelangt. Desgleichen die Betriebe der Girkhäuser Holzwarenindustrie, welche ca. 35 Mann beschäftigen, setzen sehr viel Fertigfabrikate ab, sodaß ein Güterverkehr stets lohnend ist.

  1. Bei einer allgemeinen Belebung der Wirtschaft würden die ca. 300-400 Bauhandwerker obiger Ortschaften, welche bis vor Jahren im Lennetal beschäftigt waren, die Bahn tagtäglich hin und zurück benutzen und dadurch den Personenverkehr erheblich fördern.
  2. Belebung des Fremdenverkehrs

Die waldreiche gesunde Höhenluft unserer heimatlichen Berge würde dem Fremdenverkehr, der sich bis jetzt in mäßigen Schranken hielt, bedeutend fördern, zumal es Gedankengut unserer jetzigen Regierung ist, nur in Deutschen Erholungsstätten Gast zu sein und nicht, wie dies unter dem marxistischem Regime der Fall war, im Ausland Deutsches Geld und Gut zu verschlemmen. Die Belebung des Fremdenverkehrs würde sich auch besonders im Winter auswirken, da in hiesiger Gegend durch die bekannten Wintersportplätze der Luftkurorte Hoheleye, Langewiese, Mollseifen und Neuastenberg ein starker Fremdenverkehr aus dem Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet einsetzen würde.

  1. Belebung der Landwirtschaft

Die hiesige Landwirtschaft, welche durch die kargen Bodenverhältnisse Viehzucht betreibt, würde durch eine Aufschließung des oberen Kreises einen besseren Absatz des Viehes gesichert sein und somit auch zur Rentabilität des Bahnbaus wesentlich beitragen.

 

Dieses Projekt ist bereits vor dem Kriege fertiggestellt worden und der Bahnbau jedoch wegen Ausbruch des Krieges nicht in Angriff genommen. Es liegt im Interesse des Vaterlandes, diesen schönen Flecken Deutscher Erde durch Inangriffnahme dieses Projektes der Öffentlichkeit zu erschließen und einem großen Teil der Erwerbslosen wieder lohnende Beschäftigung zu bringen.

Wir hoffen auf tatkräftige Unterstützung der Behörden und der Reichsregierung, um damit dem großen Ziele unseres Führers und Volkskanzlers dienlich zu sein; als Bindeglied mitzuwirken am Aufbau unseres heißgeliebten Vaterlandes.

 

Der Stützpunkt Girkhausen der N. S. D. A. P.

  1. A. gez. Homrighausen“[11]

 

Soweit die Bemühungen der Behördenvertreter, Politiker etc. zum Bau der vorgenannten Bahnstrecke Raumland-Berleburg-Gleidorf. Es wäre sicherlich den Bewohnern der oberen Wittgensteiner Dörfer mit ihrer Armut und der oftmals harten Arbeit zum Erwerb des täglichen Brotes zu wünschen gewesen, eine Verbesserung ihrer Lebensumstände bzw. Bedingungen zu erhalten. Man muss sich aber, und nicht nur aus heutiger Sicht fragen, ob wirklich eine ausreichende Rentabilität und Wirtschaftlichkeit für den Bau dieser Bahnlinie gegeben war, denn nur eine solche hätte vielleicht dazu geführt, dass man über den Status einer Vorplanung hinausgekommen wäre. Vielleicht spielten auch die Vorboten der Ereignisse, die letztlich zu den beiden Weltkriegen geführt haben, eine Rolle mit.

Es bleibt aber vielleicht noch in den Köpfen älterer, noch lebender Bewohner der Höhendörfer die Erinnerung, dass da mal etwas gewesen sein muss, mit einem Bahnhof in Girkhausen und einer Streckenführung über den Rothaarkamm nach Gleidorf.[12]

 

[1] Vgl. Jürgen Weiss, Eisenbahn im oberen Edertal, in: Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins e.V., Jg. 93 (2005)S. 74-96 und Jg. 93 (2005), S. 119-130.

[2] Das Schreiben Maccos und seine Anlage befinden sich in Kopie in der Eisenbahnprivatsammlung Jürgen Weiß, Erndtebrück.

[3] Vgl. Jürgen Weiss, Als die Eisenbahn endlich auch Berleburg erreichte, in Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins e.V., Jg. 97 (2009), S. 17-23.

[4] Siehe die einzelnen Pläne.

[5] Die Streckenplanentwürfe lagern im Fürstlichen Archiv Schloss Berleburg in Bad Berleburg, Akte 844.

[6] wie Anm. 5.

[7] Hornung war in zwei Perioden Berleburger Bürgermeister: 1904 bis 1914 und dann erneut von 1917 bis zu seinem Ruhestand 1931. Vgl. Johannes Burkardt und Rikarde Riedesel, Die Berleburger Bürgermeister 1551–1933 und 1945–2008, in: Rikarde Riedesel, Johannes Burkardt, Ulf Lückel (Hgg.), Bad Berleburg – Die Stadtgeschichte, Bad Berleburg o.J. [2009], S. 297.

[8] Dr. Otto Ludwig Theodor Günther war von 1933 bis 1939 Bürgermeister in Berleburg. Er wurde am 30. Januar 1933 in Berleburg eingeführt. Günther war ein überzeugter Nazi und war Hauptverantwortlicher für die Verfolgung der Berleburger Zigeuner. Vgl. Ulrich F. Opfermann, „Schlussstein hinter Jahre der Sittenverwilderung und Rechtsverwirrung.“ Der Berleburger Zigeuner-Prozess, in: Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins e.V. Jg. 99 (2011), S. 27-37.

[9] Kopie des Schreibens in der Eisenbahnprivatsammlung Jürgen Weiß, Erndtebrück.

[10] Hier irrte der Verfasser aus Girkhausen, beschlossen war der Bau keineswegs.

[11] Kopie des Schreibens in der Eisenbahnprivatsammlung Jürgen Weiß, Erndtebrück.

Anmerkung der Schriftleitung: Der Brief ist ohne Datum, jedoch scheint er 1933 verfasst worden zu sein. Georg. Homrighausen (1877–1953) war eines der ersten Mitglieder der NSDAP in Girkhausen und stand dem Ortsverein vor. In diesem Zusammenhang steht auch die ursprüngliche Planung der NS-Regierung, ein RAD Lager oberhalb Girkhausens zu installieren, hier sollten mehrere Hundert Männer für den Eisenbahnbau stationiert werden. Ein Artikel von Ulf Lückel dazu ist in Vorbereitung.

[12] Der Verfasser dankt Herrn Hans Friedrich Petry, Bad Berleburg für die Bereitstellung von Unterlagen zu dem vorgenannten Bericht aus Schloss- und Stadtarchiv Bad Berleburg.

 

© Wittgensteiner Heimatverein e.V.
Schriftleitung: Dr. Ulf Lückel
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Jürgen Weiß, Das Eisenbahnprojekt Raumland-Berleburg-
Girkhausen-Rothaarkamm-Gleidorf, in:
Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins e.V.,
Jg. 101 (2013), Bd. 77, S. 57-66.

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